Make Magazin 5/2021
S. 3
Make
Editorial

Nostalgie ohne Reue

Normalerweise verbindet man mit Nostalgie schöne Gefühle. Ich hingegen bekomme in letzter Zeit in dem Zusammenhang regel-mäßig schlechte Laune. Weil ich nämlich feststelle, dass ich häufig Sachen wegwerfe, die ich doch noch hätte gebrauchen können. Und schlimmer noch: Weil ich bei den letzten Umzügen Dinge entsorgt habe, die mir vor langer Zeit Freude bereitet haben und die nun in der über mich hinwegschwappenden 80'er-Retrowelle wieder eine wichtige Rolle spielen.

Jüngere Familienmitglieder hören plötzlich Langspielplatten und fragen mich nach alten Musikkassetten: „Wie, einfach weggeschmissen?“ Der Datasetten-Artikel auf S. 62 warf beim Gegenlesen bei mir die Frage auf, in welch' geistiger Umnachtung ich einst meinen C64 mit orginalem Monitor, Floppy, Drucker und Akustikkoppler an den Straßenrand zur Mitnahme stellte (1996, Bremen, Admiralstraße, vielleicht erinnert sich jemand und gibt ihn mir zurück)? Und bei der Recherche zu TTL-Chips in LED-Panels (Artikel S. 56) vermisste ich mein altes (gedrucktes) Handbuch von Texas Instruments – ich hab's wohl zum Papierrecycling gebracht.

Nun stehe ich vor meinen immer voller werdenden Bastelkisten, Sammlungen an technischen Devotionalien und Büchern und merke, der freie Platz wird immer weniger. Trotzdem traue ich mich nicht mehr, irgend etwas wegzuwerfen. Könnte der erste Raspberry Pi B irgendwann noch eine Rolle spielen? Brauche ich diese Z80-Platine mit CP/M noch (N8VEM)? Sollte ich noch alte SRAMs und EPROMs aufheben? Und wann haben wir eigentlich zuletzt mit der Wii und der PSP gespielt?

Denn wenn ich mich heute davon trenne, kommt in zwei Wochen garantiert der Moment, wo ich es bereue. Droht mir nun ein Leben als Maker-Messi? Muss ich Lagerräume anmieten? Wie gehen Sie, liebe Leserinnen und Leser damit um? Ich hoffe, Sie können leichter loslassen als ich! Damit Sie ohne Reue zurückblicken können.

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Daniel Bachfeld